Unterwegs mit Routenbetreuer Valentin

Interview mit Routenbetreuer Valentin Schmid
Text und Interview: Sandra Bruhin 


Nie irgendwo im Nirgendwo 

Stellen Sie sich vor, Sie wandern durch Felder und Wälder und nichts ist signalisiert. Sie wissen nicht, wie weit Ihr Ziel noch entfernt ist und ob Sie bei der nächsten Gabelung links oder rechts abbiegen müssen. Der Akku Ihres Smartphones hat sich eben verabschiedet. Kein angenehmer Gedanke. Aber keine Sorge - auf dem 1'650 km langen Wanderwegnetz im Aargau passiert Ihnen das bestimmt nicht. Dank den gelben, wegweisenden Schildern namens Wegweiser, Richtungszeiger, Rhomben und Co. bleibt niemand orientierungslos. An 1'100 Standorten stehen sie stets sauber, gut sichtbar, frisch gemalt oder unbeschädigt uns Wanderern zur Verfügung. Dafür sorgen 85 freiwillige Mitarbeitende des Vereins Aargauer Wanderwege. Mit viel Sorgfalt und Leidenschaft halten sie die Wege in Schuss. 

"Da kommen pro Jahr schnell mal 2'800 Einsatzstunden von unseren freiwilligen Mitarbeitern zusammen", meint Geschäftsleiter Horst Sager.

Einer dieser ehrenamtlichen Helfer ist Valentin Schmid aus Aarau. Ich habe mich heute an seine Fersen geheftet und begleite ihn bei seinen Aufgaben. Valentin - man sagt ‘Du’ in der Wanderfamilie - gehört zu den jüngeren Routenbetreuern, ist aber einer der Dienstältesten mit seinen 18 Einsatzjahren.
Dieses Jahr mussten die Routen Corona-bedingt etwas länger als üblich auf ihr Pflegeprogramm warten. Normalerweise startet die Arbeitssaison im April mit der Mitarbeitertagung, bei der auch das bestellte Material für den Streckenunterhalt abgegeben wird. Dort tauscht man sich aus und wird auf die bevorstehende Signalisations-Saison vorbereitet. Valentin betont, dass es besonders wichtig ist, dass das ganze Wanderwegnetz nach festgelegten Normen unterhalten wird, sodass die Wandernden eine gute und vor allem einheitliche Signalisation vorfinden. Alles ist in einem grossen Handbuch – der Routenbetreuer-Fibel - festgelegt. Auf welcher Höhe die Tafeln befestigt werden müssen, wo, wie sie montiert und verankert werden müssen und vieles mehr. Jeder erhält zu Beginn seiner Tätigkeit vom Geschäftsleiter persönlich einen Einführungstag. Später gibt es immer wieder Auffrischungskurse.
 
Wie das alles begonnen habe, frage ich Valentin, während er sportlich auf die Leiter klettert, um auf Augenhöhe mit der gelben Rhombe zu gelangen. Ein Sprayer hat dieser einen neckischen grünen Farbtupfer verpasst. Das kommt schon mal vor, lacht Valentin. Dann wird sie halt wieder gereinigt oder ganz ersetzt. Er sei gerne draussen in der Natur und auf den Spaziergängen mit dem Hund sei ihm die Idee gekommen, auf der Geschäftsstelle der Aargauer Wanderwege nachzufragen, ob es möglich sei, bei diesen Unterhaltsarbeiten mitzuhelfen. Damals habe man ihn auf eine Warteliste gesetzt.

Nach ca. einem Jahr kam dann der Anruf und sein Einsatz begann. Er startete mit dem Jura Höhenweg, einem schweizweit bekannten Weg, in der Region Bözberg und Brugg.
Zu diesem Zeitpunkt erfolgte der Wechsel beim Jura Höhenweg von den rot-gelben zu den normalen gelben Markierungen sowie der zusätzlichen Tafel mit der Nr. 5.
 
 
Er betreute die Route vom Bruggerberg bis zur Linner Linde. Später von Küttigen zur Gisliiflue, nebenbei übernahm er noch das Gönhard-Gebiet eines Kollegen bis Ende letzten Jahres. Heute betreut er das Gebiet von Aarau über Entfelden bis Kölliken und von Muhen über den Rütihof bis Gränichen. Das Gisliflue Gebiet wurde ihm zugeteilt, weil diese Route fast ausschliesslich nur zu Fuss begehbar ist und man das Material nicht mit dem Auto hinfahren kann. Da kommt ein jüngerer konditionell fitter Mann im Team natürlich gelegen. Ob er besondere Fähigkeiten mitbringen musste für diesen Job, erkundige ich mich. Handwerkliches Geschick brauche man schon, meinte er und lauf- und wanderfreudig sollte man auch sein. Seine Route umfasst 40 Kilometer. Diese läuft er einmal im Frühling und einmal im Herbst ab. Auf seiner 'Hausstrecke' fällt ihm natürlich auch ab und zu beim Joggen etwas auf. Aber auch seine Routenbetreuer-Kollegen laufen 'ihre' Strecken deutlich mehr ab, als nur die geforderte Frühlings- und Herbsttour. Viele machen gerne mehr als sie eigentlich müssten.
Hauptsächlich reinigt Valentin Wegweisertafeln, ersetzt beschädigte Wegweiser, malt und frischt Wegmarkierungen, Rhomben und Richtungspfeiler auf. Ab und zu müssen auch Pfosten ersetzt werden. Vor allem im Frühling/anfangs Sommer müssen Äste zurückgeschnitten werden, damit die Signalisation nicht überwachsen wird. Besonders in der Nähe von Nadelwäldern setzen die Schilder schnell eine grüne Schicht an. In eher städtischen Lagen setzen Spinnfäden und Mücken den Tafeln zu. Wenn nichts gemacht würde, meint Valentin, würde es ca. zwei bis drei Jahre dauern, bis Wege unbegehbar sind und Schilder komplett überwachsen wären. Eine spannende Einschätzung, die mir bewusst macht, wie wichtig diese freiwilligen Arbeiten der Routenbetreuer des Vereins Aargauer Wanderwege sind! Bei Sturmschäden oder ganz allgemein grösseren Arbeiten wie Tritte und Treppen einbauen oder ersetzen kommt Werkmeister Peter Müller zum Einsatz. Was selbst er nicht mehr bewerkstelligen kann, muss dann vom jeweiligen Forstamt erledigt werden. 
Ich erkundige mich nach mutwilligen Beschädigungen oder Vandalenakten. Valentin meint, es komme schon mal vor, dass im Gönhard-Gebiet die gegnerische Fangemeinde des FC Aaraus an sämtlichen Pfosten und Wegweisern ihre Kleber aufbringen. Alkoholismus kann zu Kraftakten und Verbiegungen an Schildern führen oder Lausbuben freuen sich, wenn ein Wegweiser plötzlich in die falsche Richtung zeigt. Ich merke schnell, dass er sich von solchen Aktionen nicht provozieren lässt und geduldig einem Wegweiser am Suhre-Uferweg zu neuem Glanz verhilft.

Er packt seine Werkzeugkiste wieder ins Auto. Ich will noch wissen, was ihn am Job am meisten freut und was das Herausforderndste sei. Am meisten freue ihn jeweils das spontane Lob oder der Dank eines Passanten. Die Leute seien dankbar für das was er und seine Kolleginnen und Kollegen machen und das sei eine schöne Genugtuung. Und das Herausforderndste? Valentin schmunzelt und sagt mit einem Augenzwinkern, es seien zweifelsohne die hohen Anforderungen seines Chefs. Aber genau denen ist es wohl auch zu verdanken, dass der Aargau auf ein so einwandfreies und intaktes Wanderwegnetz stolz sein darf.
 
 
Was er den Wanderern noch mitgeben möchte ist, dass die Leute doch bitte nicht zögern sollen, Schäden zu melden und die Koordinaten im Schadenmelde-Formular auf der Homepage der Aargauer Wanderwege anzugeben. 
 
Hier gehts zum Schadenmelde-Tool